Aufruf an die zukünftigen Mandatsträger*innen in Braunfels
2020 richtete der Naturschutzring Ehringshausen (NRE) einen Brief an zukünftig in der Kommunalpolitik aktive Mandatsträger*innen, mit dem eine nachhaltige, umfassende Naturschutzpolitik angemahnt wird. Der grundsätzliche Leitspruch des NRE lautet:
Global denken – Lokal handeln.
Die Braunfelser Grünen schließen sich dem mit Nachdruck an. Wir haben den Brief an die Braunfelser Gegebenheiten mit dem folgenden Wortlaut angepasst:
Wir weisen die gegenwärtigen und zukünftigen Entscheidungsträger*innen in der Kommunalpolitik im Zuge des laufenden Kommunalwahlkampfes auf die als dramatisch zu bezeichnenden Veränderungen unserer Umwelt in der Folge der bereits stark spürbaren Auswirkungen des Klimawandels und des weiter massiv anhaltenden Artensterbens nachdrücklich hin!
Es werden völlig neue Ansätze gebraucht. Ein „Weiter so“ wie bisher darf es nicht geben. Damit verbünden wir uns auch ganz bewußt mit der weltweiten Fridays for Future Bewegung.
Das bedeutet:
- Anerkennung, dass Umwelt- und Naturschutz eine, wenn nicht sogar die elementarste, Aufgabe heutiger und zukünftiger Generationen ist. Er darf nicht auf wenige ausgewiesene Flächen beschränkt bleiben.
- Stärkeres Engagement der Kommune in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen (umweltfreundliche Energiekonzepte und Anwendung, z. B. bei der Ausweisung neuer Baugebiete, Verbesserung der Radwegesituation, verstärkte Ermutigung der Bürger*innen zu umweltgerechtem Verhalten …).
- Berücksichtigung der UN-Nachhaltigkeitsziele bei allen Entscheidungen der Stadt, um eine nachhaltige Entwicklung der Erde zu sichern (ökologisch, ökonomisch und sozial).
- Wassermanagement, z. B. durch Aktivierung von Grundwasserreserven (u.a. Nutzung von Stollenwasser), um diese im Zeichen der zunehmenden Dürreereignisse für die Kommune und für die Öffentlichkeit vorzuhalten und auch auf zu befürchtende Trinkwassernotstände vorbereitet zu sein.
- Nutzung vorhandener öffentlicher Fördergelder für nachhaltige Projekte.
- Kurzfristiger Beschluss, dass unsere Stadt Klimakommune wird.
- Verstärkte Förderung regionaler Produkte, bevorzugt aus biologischem Anbau, zur Stützung der heimischen Landwirtschaft allgemein und des Biolandbaues im Besonderen (Etablierung Bauernmarkt, Broschüre mit Hinweisen für die Bürger*innen …).
- Engagement der Stadt, Bürger*innen in Prozesse des Natur- und Umweltschutzes mit einzubinden, z. B. Vergabe von Obst von stadteigenen Obstbäumen, Patenschaften für Bäume und Obstwiesen, Pflege von Grünstreifen (siehe unten).
- Weiterführung und Etablierung „Runder Tische – Mehr Vielfalt“ – Braunfels draußen unter federführender Regie der Stadt. Starkes Einbinden der Land- und Forstwirtschaft in entsprechende Vorgänge.
- Neue Baugebiete erst nach Aufarbeitung und Umsetzung aller „Altlasten“ zu nicht bzw. nicht ausreichend umgesetzten Ausgleichs- und Ökopunktemaßnahmen. Laufzeitenbeginn der Maßnahmen erst nach endgültiger Umsetzung. Vorrangige Förderung von Lückenbebauung und Beseitigung von Leerständen vor Erschließung von neuen Baugebieten.
- Überprüfung der Ökopunktemaßnahmen, Aufarbeitung von ggf. vorhandenen Defiziten; Umsetzungen (sofern noch nicht erfolgt).
- Naturschutzgerechte Pflege der stadteigenen Grundstücke/ Biotopflächen, natürlich auch der Ausgleichsflächen, besonders im Hinblick auf die Vorbildfunktion der Kommune. Einsatz von Gemeindepersonal oder Fremdvergabe.
- Einführung einer Feldwegesatzung. Überprüfung der Feldwegesituation. Ahndung bei illegaler Vereinnahmung von Feldwegen bzw. auch Teilen davon.
- Konsequente Verfolgung der Missachtung von Ver- und Geboten, ggf. durch Verpflichtung eines Ordnungspolizisten, auch zusammen mit Nachbarkommunen (Einhaltung Leinenpflicht Hunde in Brut und Setzzeiten, Verfolgung illegaler Ablagerungen und sonstiger Eingriffe im Außenbereich sowie unerlaubter Wasserentnahmen aus Bachläufen) unter Einschaltung der zuständigen Behörden.
- Naturgemäße Waldwirtschaft und schwerpunktmäßige Ausrichtung waldbaulicher Maßnahmen auf Natur- und Umweltschutzfunktion der Wälder, bei Zurückstellung wirtschaftlicher Vorranginteressen. Die bisher übliche Bewirtschaftung führt rasch fortschreitend zum Verschwinden vitaler, sich selbst stabilisierender Waldökosysteme und hat schwerwiegende Auswirkungen, nicht nur auf die hier eigentlich dominierenden Buchenwälder. Die flächendeckenden Waldschäden haben unkalkulierbare Folgen für die gesamte Artenvielfalt, den Klimaschutz, den Wasserhaushalt und die Bodenfruchtbarkeit. Permanente Durchforstung, Zerschneidung und Befahrung mit schwerem Gerät, Zerstörung der Schirme (der geschlossenen Kronendecke) haben Auswirkungen: Mittlere und artenvielfältige Buchen- und Eichenbestände werden immer weiter aufgerissen; die fehlende Beschattung führt zu Sonnenbrand, Weißfäule und Austrocknung der Bestände.
- Zum Schutz der heimischen Arten – Tiere und Pflanzen, die das Ökosystem Wald gemeinsam bilden – ist es unbedingt erforderlich, die bestehenden Reste halbwegs naturnaher Wälder in möglichst bedeutenden Teilen aus der forstwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen. Je mehr, je größer, je vielfältiger, desto größer die Chance, ‚unseren Wald‘ als Ökosystem zu erhalten. Unter den sich jetzt dramatisch ändernden klimatischen Einflüssen kann weitgehend nur die Natur selbst eine geeignete, stabile Artenvielfalt entwickeln. Das wird der Wald von morgen, oder es gibt keinen mehr.
- Gezielte Schulung einzelner Bauhofmitarbeiter*innen zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen, besonders z. B. im naturgemäßen Obstbaumschnitt. Bei Neueinstellungen von Mitarbeiter*innen des Bauhofes ist darauf zu achten, dass diese Verständnis für Umwelt- und Naturschutz mitbringen. In jedem Fall (selbst wenn es noch keine Fachkraft in der Verwaltung gibt) detaillierte Abstimmung von Bauhof und Naturschutzgruppen vor Beginn von Maßnahmen im Außenbereich (z. B. Heckenbeseitigungen), auch um möglichen anschließenden Konflikten und aufwändigen Nachbesserungen vorzubeugen.
- Starke Förderung und Umsetzung von Entsiegelungsmaßnahmen. Fachgerechte Umwandlung von kommunalen pflegeintensiven Rasenflächen in pflegeleichte und naturschutzfördernde Grünflächen. Dies betrifft auch öffentliche Kleinflächen wie Verkehrsinseln, Seitenstreifen neben Fahrbahnen/Gehwegen. Weiteres Zurückfahren des Mulchens von Wegrändern. Entsprechende Managementplanung dazu. Die Umstellung spart Kosten, z. B. beim Bauhof, rettet Millionen Kleintiere, die sonst dem Mulchen zum Opfer fallen, verhindert das Austrocknen von Böden und hilft somit auch beim Klimaschutz.
Die Zukunft der Natur ist auch die unsere. Es ist dringender denn je,
die Bedeutung der Natur in unsere Entscheidungen einzubeziehen.
Die Natur braucht uns nicht, wir aber brauchen die Natur!